Ich war bestürzt, als ich letzte Woche im WDR2 den Beitrag „Kirchenaustritt leicht gemacht“ gehört habe. „Das kann doch nicht wahr sein!“ Ich war richtig sauer, ehrlich gesagt. Natürlich bleibt es jeder und jedem selbst überlassen, ob er oder sie aus der Kirche austreten möchte. Und natürlich bleibt es auch unbenommen, eine Diskussion darüber zu führen, ob es in unserer Zeit in Ordnung ist, aktiv austreten zu müssen, anstatt aktiv einzutreten. Alles unbenommen. Trotzdem hat mich dieser Beitrag wirklich nachdenklich gemacht. Was bedeutet es, dass Kirche als so überflüssig und unwichtig wahrgenommen wird, dass es zur Mittagszeit einen solchen Beitrag in einem der meist gehörten Radiosender bei uns im Westen gibt?
Ich habe eine nicht-repräsentative Umfrage in meiner wunderbaren Social-Media-Blase gemacht. „Gebt mir ein positives Wort, eine positive Erinnerung, etwas Positives, das ihr mit „Kirche“ verbindet.“ Bewusst habe ich „Kirche“ und „Glaube“ in dieser Frage getrennt. Was dabei heraus gekommen ist, lest ihr in der Wolke über diesem Text. Unglaublich viel. Kirche ist all das für so viele.
Kirche sind wir – die ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die jeden Tag alles geben, um dieser Kirche Leben einzuhauchen. Was viele wahrnehmen, sind die starren Strukturen, die Nicht-Veränderbarkeit, die Skandale. Das bedrückt auch uns. Oder vielleicht spreche ich hier lieber nur für mich selbst. Das bedrückt auch mich. CHANGE – dieses wunderbare Wort (ich hassliebe es). Wir sollen Veränderung bringen und neue Ideen, aber es ist kein Geheimnis, dass es uns da nicht an Ideen, aber oft an der Umsetzung fehlt. Denn sehr vielen Menschen ist genau die Beständigkeit wichtig. Man reibt sich aneinander, reibt sich mit der einen oder der anderen Entscheidung. Vieles bleibt, manches geht. Wird betrauert. Kommt zurück. Und in all diesen Prozessen bleibt eines der am häufigsten genannten Worte: Gemeinschaft.
Kirche ist für so viele ein sicherer Hafen, ein Zufluchtsort. Und ja, alle, die Gegenteiliges erleben mussten, müssen dafür entschädigt werden. Ich rede nichts schön. Dinge müssen aufgearbeitet werden. Und darüber braucht es ganz sicher auch eine gewisse mediale Präsenz. Aber ganz ehrlich: wir im ganz Kleinen arbeiten daran. Wir arbeiten im Hintergrund an Konzepten, wir lassen uns schulen, wir sind uns all dieser Dinge so sehr bewusst. Aber wir schauen vor allem nach vorn. Wir wollen da sein für die Menschen, die uns jetzt brauchen. Unvergiftete Gegenwart, ohne die Vergangenheit zu vergessen. Das ist ein Kraftakt, der sich aber bisher immer gelohnt hat.
Ich meine, was ist es für ein Geschenk, wenn Menschen ihre guten Verbindungen mit und zu Kirche mit mir teilen und mir so das Wertvollste schenken, was ich mir vorstellen kann: Hoffnung. Dass wir eine große und gute Gemeinschaft sind. Dass daraus so viel Gutes und Wertvolles erwachsen kann. Dass wir gemeinsam an Zukunft arbeiten können, weil wir dazu bereit sind. Kirche bin ich. Und ich bin es so gerne. Kirche seid ihr. Und Kirche wird immer das sein, was ihr gerade braucht, denn nicht ich bringe den Change in die Kirche, sondern ihr, wenn ihr soweit seid. Kirche sind oft die kleinen Gemeinden, die heute dies brauchen und morgen etwas ganz anderes. Und wenn es übermorgen wieder dies sein soll, dann schlucken wir mal trocken und dann ist es so.
Kirche ist digitaler geworden und wird es immer weiter. Und das ist wunderbar, denn das bringt so viele neue Möglichkeiten. Kirche ist vernetzter geworden und das ist wunderbar, denn das bringt so viele neue Möglichkeiten. Kirche ist offener geworden. Und das ist wunderbar, denn das bringt so viele neue Möglichkeiten. Versteht ihr, was ich sagen will? Ohne euch, eure Gedanken, Erinnerungen, Ideen, ohne eure Vorstellung von Gemeinschaft, von Ideenumsetzung, von Verbindung, ohne unsere gemeinsamen Erlebnisse – die guten und die schlechten – wäre Kirche ein Wort für ein oft prachtvolles, im Winter sehr kaltes, gut durchdachtes Gebäude.
Das ist jetzt alles sehr einfach dargestellt – ich könnte an einigen Stellen viel mehr in die Tiefe gehen. Aber im Rahmen dieser kleinen Umfrage, die ich für mich selbst brauchte, reicht das hier vielleicht. Um zu erkennen, dass Kirche viel mehr ist, als Gebäude und Kirchensteuer. Dass Kirche für viele Menschen lebenswichtig ist. Dass Kirche auch die Menschen sind, die sich jeden Tag dafür einsetzen. Mit Leidenschaft. Die berufen sind oder sich berufen fühlen. Die ihre Profession darin gefunden haben, Prügelknabe und Superheld in einer Person zu sein.
Kirche ist all das – und da habe ich noch nicht ein einziges Mal den Glauben oder den, der uns alle führt und leitet ins Gespräch gebracht… Denkt mal drüber nach – und lasst mich gerne wissen, was ihr darüber denkt. 🙂
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