Vom Ernten und Danken

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Heute Morgen bin ich aufgestanden und vor dem Haus lag eine richtige Nebelsuppe. Ich konnte kaum die Nachbarhäuser erkennen. Wir machten uns mit mäßiger Begeisterung fertig und verließen pünktlich das Haus. Die Windschutzscheibe, bearbeitet durch den Scheibenwischer, wollte auch nicht wirklich für den Durchblick sorgen.

Die Kinder motivierten sich mit dem Ausflug, der anstand – mich motivierte der aufgeregte Hund, der seine Runde einforderte. „Was solls,“ dachte ich und fuhr mit ihm wie an so vielen anderen Tagen auf den Unnenberg. Und je weiter wir nach oben fuhren, umso heller wurde es. Sonnenstrahlen brachen sich ihren Weg durch die Wolken und oben angekommen erwartete uns ein strahlender, blauer Himmel. Der Blick auf die Dörfer, die unerkannt im Nebel lagen, das Glitzern von Tautropfen, Blätter, die sich regenschwer bunt verfärben, taubenetzte Spinnennetze, die zauberhafte Bilder auf die Wiesen malten. Wunderschön. Da ist so eine tiefe Begeisterung in mir für diese Dinge. Ein Zauber, der sich immer wieder neu entfacht. Jeden und jeden Tag. Das ist meine Heimat. Das ist ein Geschenk, aus dem ich jeden Tag schöpfen darf. Da ist viel Veränderung. Jeden Tag. In jedem dieser Dörfer und auch in diesem Wald. Da sind unglaublich viele Einflüsse aus allen Richtungen jeden Tag. Sie alle verändern auch immer dieses Bild, aber die Weite, der Blick auf das alles, dieses Sich-klein-fühlen-und-einpassen, das Wissen, dass auch ich ein beweglicher winziger Teil von dem großen Ganzen bin, erdet mich manchmal so sehr.

An manchen Tagen kommt die Frage nach dem „Warum“ oder „Wofür“ so stark auf. Dann brennt meine kleine Hütte in einem dieser vielen Nebellöcher, die ich heute von dort oben betrachten konnte. Sie brennt lichterloh. Nichts funktioniert. Geschrei, Wut, Ärger, Enttäuschung, Unzulänglichkeit, Veränderung – dann auch noch Miteinander sein müssen, wo manchmal so sehr der Wunsch nach Ruhe vorherrscht. Zu meinen eigenen Sorgen auch noch Ohren haben für die der Familie. Mich zerrissen fühlen, mich selbst verlieren, meinen Fokus verlieren, begraben unter all den Aufgaben, Anforderungen, Projekten, anstehenden Veränderungen. Dann eine kleine Kerze am Abendbrottisch. Ein vorsichtiges Ausatmen. Ein ruhiges „Was war heute gut und was nicht“ von jedem. Hände, die sich halten. Wieder tragen können. Wieder ertragen können. Ein Blick, der sich wieder weitet. Das Feuer meiner brennenden Hütte scheint gelöscht. Vielleicht nur für diesen Abend. Vielleicht legt nur jetzt gerade die Dunkelheit eine sanfte Decke aus Müdigkeit, Ergebenheit, Gemeinsamkeit über mich. Morgen früh ist er vielleicht wieder da, dieser Nebel, der Rauch oder ein schwelendes Feuer. Das weiß ich heute Abend nicht.

Eines aber weiß ich sicher: Von hier oben betrachtet kämpfe ich nicht allein. Der Rauch all unserer Hütten mit all unseren Sorgen, dem Tunnelblick, den ganzen Emotionen und Gedanken bündelt sich im Nebel, der uns allen die Sicht erschwert. Abstand, nur ein bisschen, klärt den Blick schon wieder. Das gilt für so viele Bereiche. Ganz kleine und nur uns und unseren engsten Kreis betreffende Bereiche und dann aber auch unsere weiteren Lebensbereiche. Manchmal merkt man gar nicht, wie sehr plötzlich alles schwarz-weiß wird. Wie sehr sich Verbitterung in uns ausbreitet. Wie sehr wir an unserer eigenen Meinung festhielten und uns über andere gar keine Gedanken mehr machen wollen. Wie sehr wir von etwas überzeugt sind, das wir gar nicht überprüft oder hinterfragt haben. Und der Rauch und der Nebel werden dichter und dichter.

Hier oben, über dem Nebel, fühle ich so viel Dankbarkeit. So viel Zuversicht. Hier, wo ich so klein bin. Wo meine kleine Welt so herrlich unbedeutend und klein, aber trotzdem ein Teil des großen Ganzen ist. Wo sich alles zusammenfügt. Wo ich es wieder schaffe, meinen Fokus auf Wesentliches zu legen. Zu sehen, wie gesegnet, wie reich beschenkt ich bin. Zu sehen, dass all mein Frust, meine Last viel leichter wird, je näher ich mit Herz und Seele bei Gott bin. Ernten und danken – das darf ich jeden Tag.

Auch für das, was meine eigenen Hände schaffen.

Was ich schaffe mit den Gaben, mit denen ich beschenkt und gesegnet bin.

Was ich sehe und wo ich helfen kann, weil ich mit diesen Gaben beschenkt und gesegnet bin und sie einsetzen kann.

Ernten und danken – mir meiner bewusst sein und dann auch wieder den Blick für all die anderen haben. Die ebenfalls ernten und danken und schaffen. Damit unser gemeinsamer Kreislauf weiter besteht.

Danke, Gott, dass Du mich so willst, wie ich bin. Dass Du an mir feilst und mich hin und wieder neu positionierst. Danke, Gott, dass ich darauf vertrauen kann, dass Du den Sinn kennst, auch wenn ich ihn manchmal erst viel später erkenne. Danke, Gott, dass ich nach Deiner Hand greifen darf, auch aus dem Nebel heraus. Danke, Gott, dass ich Fehler haben darf, Fehler machen darf, und doch immer Dein geliebtes Kind bleibe. Danke, Gott, dass Du auch meine Zweifel annimmst. An mir festhältst. Amen.

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