Palmsonntag – Mutig vorangehen

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Dem Text zugrunde liegt Jesu Einzug in Jerusalem am Palmsonntag – Mattäus 21, 1-11

Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht. In diesem Glauben haben die Alten Gottes Zeugnis empfangen. Das ist der Predigttext aus Hebräer 11, 1-2 Oder einfacher ausgedrückt: Wie geht das jetzt überhaupt, mit dem Glauben? Glauben bedeutet, dass man auf etwas hofft und ganz fest darauf vertraut, dass es auch passiert. Und dass man Dinge einfach weiß, obwohl man sie nicht beweisen kann.

Wenn ich darüber nachdenke, beginne ich viele Sätze mit der Phrase „ich glaube,…“. Und mir fällt mir auf, dass das schon stimmt. Wenn ich zum Beispiel sage: „Ich glaube, dass das Wetter morgen schön wird“, habe ich tatsächlich meine Hoffnung in diesen Satz gelegt. Aber in diesem so umgangssprachlichen „ich glaube“ schwingt immer die Unsicherheit mit. Weil ich nämlich überhaupt nicht sicher weiß, oder nicht keinen Zweifel daran habe, ob das auch so eintritt und ob das so passiert. Aber ich weiß ohne Zweifel, dass ich ziemlich oft „ich glaube…“ sage, ohne, dass es etwas mit meinem christlichen Glauben zu tun hat.

Heute ist Palmsonntag. In der Schriftlesung haben wir gehört, wie Jesus nach Jerusalem kam. Wie er empfangen wurde. Wie er – ganz im Gegensatz zu allen anderen Geschichten, die wir über Jesu Wirken und Auftreten kennen – auf einem Eselfohlen ritt. Wie sich etwas, das 500 Jahre zuvor bereits prophezeit worden war, bewahrheitete. Jesus ritt durch eine ihn feiernde Menge.

Jesus, dieses Bindeglied zwischen Gott und Mensch, die Mitte um die wir mit unseren Fragen und Sorgen genauso schwingen, wie die Menschen in Jerusalem mit ihrer Freude und ihrer Hoffnung. Jesus lässt uns erkennen, wie Gott uns gemeint hat. Wie es einmal mit uns allen werden wird. Er ist das Gewissen unserer Welt. Er selbst hat gesagt: Ich bin der Weg. Aber ist er nicht auch die Brücke, das Haus, das Schiff? Die Zeit, die Krise, die Freiheit, die Freude?

Was muss da in ihm vorgegangen sein bei diesem Einzug in Jerusalem? Ging es doch bei ihm nicht um Glauben, sondern um Wissen. Er wusste, was geschehen wird. Er wusste, was er würde durchleiden müssen. Er wusste, was ihn erwartet. Viele sehen in diesem Bericht die Freude der Menschen in Jerusalem – und die war ganz sicher immens. Jubelschreie, Willkommensrufe, echte Freude, Hoffnung.

Ich sehe aber viel präsenter, fast greifbar, unheimlich viel Mut. Jesus hatte so viel Mut. Der Prophet Sacharja hatte angekündigt, ein König werde kommen, er werde auf einem Esel reiten und so tut Jesus genau dies: Er beansprucht die Rolle des Königs und geht nicht wie immer sonst zu Fuß, sondern er reitet auf einem Esel ein. Kann er da in diesen Momenten überhaupt klar denken? Ist das einfach alles ins Rollen geraten, was nun einmal geschehen muss und er muss nun einmal dadurch? Wie ist das wohl für ihn? Wie geht es ihm da jetzt gerade?

Wenn ich darüber nachdenke, wann ich besonders mutig sein musste, weiß ich, dass dem voraus sehr oft Angst gegangen ist. Sorge. Was ist, wenn…? Schnelle Atmung, Herzrasen. Dann der Moment, in dem ich mutig sein muss. Schaffe ich es und mache es einfach oder lasse ich diesen Adrenalin-Moment vergehen und mache es nicht, mit dem Gefühl versagt zu haben, feige gewesen zu sein? Es sind wenige Sekunden, in denen ich die Entscheidung zwischen Mut und Rückzug treffe und erst im Rückblick gesehen kann ich das dann verstehen. Bewerten. Zuordnen.

Wenn ich darauf schaue, auf das, was da vor Jesus lag, bewundere ich diesen Mut noch viel mehr. Vor allem vor dem Hintergrund, dass er das alles für mich auf sich genommen hat. Für mich und Dich. Für uns. Für das Leben.

Meine Mut-Situationen sind ja ganz andere. Und jeder von uns hat ein anderes Mut-Empfinden. Was dem einen fast schon tollkühn-mutig vorkommt, ist für den anderen kaum ein Schulterzucken wert. Der Eine braucht Mut für bestimmte Gespräche, die Andere für bestimmte Entscheidungen. Mut, etwas Neues zu beginnen und Mut, etwas durchzuhalten. Mut, seine Meinung zu vertreten und manchmal sogar Mut, von der Zukunft zu träumen. Und das ist gut, denn nicht jeder von uns muss jeden Weg beschreiten, nicht jeder muss allen Mut in sich bündeln – wir können unseren Mut aufteilen und uns gegenseitig helfen, mutig zu sein. Wir können uns mit gegenseitiger Hilfe und Zuspruch und Unterstützung unsere Leben schon ganz schön erleichtern.

Denn unser Leben plätschert nicht einfach so dahin. Dazu ist es viel zu kostbar, dieses uns geschenkte Leben. Es gibt so viele Dinge an diesem zerbrechlichen Konstrukt, die wir mit unserem begrenzten Verstand nicht begreifen können. Es gibt so vieles, was uns in nichts als Staunen versetzt, wenn wir es zu ergründen versuchen. Kommt ein Baby auf die Welt, staunen wir nicht selten über die Perfektion menschlichen Lebens. Neuen Lebens. Geht ein Leben zu Ende schauen wir ehrfurchtsvoll zu der Schwelle, die auch wir eines Tages überschreiten werden. Und wir begreifen es doch nicht.

Wenn ich meine Kinder in die Schule bringe und meine Hunderunde anhänge, komme ich an einem noch recht frischen Kreuz am Straßenrand vorbei. Es bewegt mich. Es passiert dort viel. Fotos werden aufgehängt, Erinnerungen niedergelegt. Und an einem Morgen schwebt dort ein Luftballon. Happy Birthday steht darauf. Sonst bin ich jedesmal berührt, wenn ich vorbeigehe. Dieses Mal bleibe ich stehen und lasse meine Tränen, die da kommen, einfach laufen. „Ein erstes Mal“, denke ich. Ein erster Geburtstag ohne. Ein erstes Fest, ein erstes Ereignis, ein erstes Mal von so vielen ersten Malen, die noch kommen werden. Wieviel Mut erfordert das Leben manchmal… Lebensmut.

Jesus vertraut bei seinem mutigen Weg durch die freudige Menge auf Gottes Versprechen und dieses Vertrauen gibt ihm wohl den Mut für jeden Schritt und jedes Wort.

Vielleicht erkennen wir in diesem schweren Gang auch einiges, was uns nun schon so lange bewegt. Sehnsucht, dass Einschränkungen gelockert werden können. Hoffnung, dass Politiker und Wissenschaftler nicht aneinander vorbeireden und uns noch ratloser zurücklassen, sondern einen guten Weg finden, Gesundheit und Bewegungsfreiheiten ganz langsam miteinander zu verbinden. Und Mut, diesen Weg weiter zu gehen. Aber was haben wir auch für eine Wahl?

Damals mussten die Menschen begreifen, dass es nicht so kommen sollte, wie sie geglaubt hatten. Jesus wurde nicht zum König gekrönt. Er wurde gekreuzigt und stand vom Tode wieder auf. Er veränderte die Welt. Auch wir werden uns verändern durch diese Krise. Unsere Hoffnungen verändern sich. Und wir brauchen ganz schön viel Mut. Diese Krise kostet uns Kraft. Wir hören jeden Tag neue Meldungen rund um die Pandemie, aber da sind auch noch so viele andere Nachrichten. Die Wirtschaft, das Klima, das Gesundheitswesen… und bei all diesen Nachrichten haben wir die Landesgrenze noch nicht einmal überschritten… Es ist bedrückend, aber wir sind nicht machtlos. Wir brauchen „nur“ Mut.

Und ja, es erfordert viel Mut. Aber wir sind auf diesem Weg nicht allein. Jesus hat den Weg für uns gebahnt. Er ist durch die Tiefen des Leidens, durch den Tod und weiter in ein neues Leben gegangen. Er hat den Weg für uns beschritten und je mehr ich darüber nachdenke, umso froher wird mir ums Herz: Denn ja, ich glaube fest daran, dass er mich am Ende mit offenen Armen erwarten wird. Und dass sich jeder noch so steinige Weg lohnt. Ich zweifle nicht an diesem unglaublichen Leid, das Jesus doch für mich ertragen hat.

Aber – ja, es gibt ein Aber: Ich brauche Hilfe, um mutig zu sein. Um den Adrenalin-Moment in die richtige Richtung zu drehen. Ich brauche Hilfe um zu erkennen, wann ich mutig sein muss oder darf und wann ich vielleicht zu tollkühn bin. Wir gehen auf Ostern zu. Es geht darum dass das Leben den Tod besiegt. Aber erst einmal müssen wir das aushalten. Mutig aushalten, dass es das Leid gibt, damit wir wirkliche Hoffnung spüren und davon reden können.

Dietrich Bonhoeffer schrieb dazu: „Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein. Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und dass es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten. Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Schicksal ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.“

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Eine Antwort

  1. Stefan sagt:

    Wow! Für mehr fehlen mir gerade die Worte! Vielen Dank für diesen Text!
    LG Stefan

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